Es war Nacht geworden. Eine friedliche Ruhe brach über die Wüste der Neutralwabe ein, und die unerträgliche Tageshitze wich allmählich klirrender Kälte. Noch immer war diese ewige Wüstengegend, stellenweise vom Geruch frischen Holzes durchzogen. Einige kleinere Grünanlagen der alten Zeit, hatten die Jahre überdauert. Die durch die Kälte polarisierten Kaderiumkörner der Wüste, funkelten unregelmäßig und blitzten vereinzelt auf und boten noch aus großer Entfernung, dem Betrachter ein farbenfrohes Lichtspiel. Gerade an solchen Nächten, konnte man mit dem bloßen Auge, hunderte Sterne am Himmel beobachten. Ein unvergleichliches Schauspiel bot sich den stummen Zeugen längst vergangener Tage an, die einst vor vielen Ringen diese Welt zivilisierten. Heute überragen zerstörte, alte Bauwerke die trockene Dünenlandschaft und zeichnen eine trostlose und verlassene Wabe. Ein trauriges, und zugleich vertrautes, doch verblasstes Gegenbild zu dem, was die Natur bereit war in ihrem nächtlichen Auftritt darzubieten.
In einem dieser winzigen unwirklichen Flecken Grün, lag Atteusis, gut geschützt zwischen hochgewachsenen psolanischen Trägerbäumen und dichter, wenn auch begrenzter, Vegetation. Er war müde und erschöpft. Auf seiner Reise in diese Wüstenlandschaft, folgte er einer alten Spur, einer sagenumwogenen Botschaft aus einer uralten Schrift, die er in der niedergebrannten psolanischen Adelsbibliothek, vor Rund fünf Ringen, entdeckte. Es war gewiss, und dies wusste er, eine Reise ohne Rückkehr. Wohin auch sollte er wieder zurückkehren? Dort, wo er herkam, war die Zukunft schon lange Vergangenheit geworden; und ebenso, wie seine eigenen flüchtigen Gedanken an eben jene Vergangenheit, unter dem Rad der Zeit zermahlen. Kurze Zeit darauf verlor er sich in Gedanken, als er einem Wanderer gleich in seiner Vorstellung, durch Raum und Zeit reiste. Seine Augen wurden schwer, träge; und während außerhalb seiner Gedanken alles schwammiger, zäh und amorpher wurde, schlossen sich seine Augen sanft und erholsam. Die äußere Schönheit der Natur - der klare Sternenhimmel und das Kaderium Lichtspiel - war ihm jetzt nicht mehr zugänglich. Seine Gedanken aber schwebten, so real wie nie zuvor, über ihn und offenbarten ihm, in seinem geistigen Auge, eine uralte Wabenwelt, die er bis dahin nur aus Erzählungen kannte. So intensiv waren seine Gedanken geworden und immer intensiver schienen sie zu werden, je näher er dieser unbekannten Quelle kam. Im Hinterkopf hörte er leise das Rauschen des Windes durch die einzelnen Blätter der gigantischen Bäume, die, von seiner Perspektive betrachtet, aussahen wie rießige Pfeiler, die gen Himmel stießen. Einige psolanische Wölfe jaulten klangvoll zum Rauschen der Blätter - wie ein Knabenchor, der ein trauriges, tief melancholisches Lied vortrug - und weit aus der Ferne zog sehr langsam ein Gewitter her, und es zuckten bereits am Horizont vereinzelt Blitze auf, die die finstere Nacht für kurze Momente taghell erleuchteten. Die abgelegenen kniehohen Wiesen aber, tanzten schon, im Arm der vom Norden her stürmisch blasenden Winde, wie Liebespaare zu einer sinnlich komponierten Ballade. Es war still geworden. Kein Wort drang mehr durch zu ihm. Atteusis war vollständig abgeschnitten von der Außenwelt. Und immer wieder kehrten seine Gedanken zurück, mal erdrückten sie ihn beinahe und mal waren sie mit angenehmen Gefühlen verbunden.
Stunden später...
Der Morgen dämmerte schon. Während erste Sonnenstrahlen ihren Weg auf die Erdoberfläche fanden, um die über die Nacht verstummte und erkaltete Natur, die sich mehr oder weniger zurück gezogen hatte, wieder mit Leben zu füllen, fand Atteusis zur inneren Ruhe wieder.
Der Himmel hingegen wechselte seine Farbe, langsam in gewohnter träger Manier. Das tief aggressive Rot, wurde von einem blassen, leicht gelblichen Orange abgelöst, so als bekleide sich der Himmel für einen besonderen Tag; als schmücke er sich, seine schönste Seite hervorzeigend. Vögel zwitscherten dem neuen Tag entgegen, stets auf der Suche nach Nahrung. Hier und da schlichen auch wilde Tiere, um Atteusis jedoch einen großen Bogen machend, ebenfalls auf Nahrungssuche.
Die unwirklichen Ereignisse der letzten Nacht, gaben Anlass zur Vermutung dem Ziele spürbar näher gekommen zu sein. Atteusis öffnete seine Augen und das grelle Licht der Sonne blendete ihn so stark, dass er sie zunächst wieder schließen musste. Trotzdem stand er auf; dabei hielt er seine Augen geschlossen, packte seine zwei Sachen und die Schrift und machte sich weiter auf dem Weg der Alten.
Wenige Stunden später, als er die letzte Düne überwunden hatte, sah er zwei hohe Türme in einiger Entfernung. Von hier sahen sie aus wie zwei symmetrische Gegenstücke und sie schimmerten prodiumgleich. Offenbar war eine kreisförmige Konstruktion inmitten dieser zwei Türme, der Grund dafür. Atteusis konnte seine Blicke von diesen Türmen nicht abwenden.
Urplötzlich, ja unverhofft, schlugen aus heiterem Himmen zwei Schritte neben Atteusis mächtige Lichtblitze ein und verursachten dabei einen ohrenbetäubenden Lärm, den er als solchen kaum noch verspürte. Seine Sinne waren durch die starke Stasis-Entladung mehr als nur betäubt. Wie in einem schweren Traum, schwebte er im Geiste von schallenden Schmerzen begleitet - die er aber rein als dumpfes unangenehmes Etwas empfand - in eine friedvollere Sphäre. Für eine Weile schossen ihm schämenhaft wirre und zusammenhangslose Bilder aus einer unbekannten Zeit durch den benommenen Kopf, die sich wie kleine angenehme Stiche an seinen Fingern spürbar machten. Von Weitem her, vernahm er leise Stimmen, die ihm wie hinter einem Schleier zuflüsterten; die schattenhaft bis zu ihm, dass heißt, bis in sein Innerstes durchdrangen und die in ihm eine vertraute sehnsüchtige Geborgenheit weckten. „Du bist angekommen!“ sprach eine dieser Stimmen, liebevoll und mütterlich. „Der Neuanfang steht im Zeichen des Drachen.“, fuhr die Stimme fort, sanft und weich, zahm und mild zugleich im Ton.
Als der ganze Spuk vorbei war, wusste Atteusis intuitiv, seine Reise würde genau dort enden. Als er sich der kreisförmigen Konstruktion genähert hatte, die er nun als Ringtor identifizieren konnte, war er zugleich Zeuge einer ihm bis dahin unbekannten Technologie. So viele Ringe waren vergangen und exakt an dieser Stelle womöglich, endete einst die alte Zeit. Er konnte es kaum fassen. Träumte er vielleicht? War das, was er sah, was er mit den Händen gar zu fassen vermochte, tatsächlich Wirklichkeit?
Vor dem Ringtor, welches auf irgendeine Weise mit den beiden Türmen in Verbindung stand, war eine Konsole mit Interferenzkristallen bestückt, welche in den unterschiedlichsten Farbtönen leuchteten. Davon hatte er oft in der Schrift gelesen. Er hörte, als er der Konsole schließlich näher kam, um sie genauer in Augenschein zu nehmen, das immense Summen und das wabernde Knistern, der in der Luft liegenden Stasis-Energie. Sie war schon fast greifbar - materiell vorhanden! Dies lag offenkundig daran, dass sie hier in gebündelter Stärke vorhanden war. Daher konnte sie auch sinnlich wahrgenommen werden. In der alten Schrift fand Atteusis einige Hinweise zur Bedienung und knapp gefasste Instruktionen, die er zügig zu verstehen wusste. Einige Augenblicke später, am Anfang noch verzerrt, dann immer deutlicher, vernahm er wahrhaftig die Botschaft, wegen der er diese beschwerliche Reise überhaupt angetreten war.
„Iota Draconis. Kannst du mich hören? Brüder und Schwestern, Kinder des Drachen - könnt ihr mich hören?“
Mit der Gewissheit, dass eine neue Zeit Anbrach, und dem Kompendium „Psolanische Forschung über grundlegende Struktur der fremden Artefakte“, die er dort in einem der beiden Türme fand, machte sich Atteusis daran, als Wabenherrscher, die neue Zeit im Zeichen des Drachen zu begründen. Über die Konsole kommunizierte er mit vielen anderen Psolanern, die bereit waren, diese alte Welt wieder von Neuem zu errichten.
Atteusis gab über die Interferenzkristalle folgende Befehle ein:
InterRingChannel (IRC): #fraternitas.draconis (Server: GameSurge)
Forum:
Fraternitas Draconis